Die Bourse de Commerce – Pinault Collection präsentiert mit „Corps & Âmes“ (Körper & Seelen) eine der kraftvollsten und bewegendsten Ausstellungen des Jahres. Über 100 Werke von mehr als 60 Künstlerinnen und Künstlern aus der Pinault-Sammlung widmen sich dem menschlichen Körper als Träger von Erinnerungen, Identitäten, Verletzlichkeit und Widerstand. Eine sinnlich-emotionale Reise durch Malerei, Skulptur, Fotografie und Video – aufgeladen mit Fragen nach unserer Zeit, unserer Geschichte und unserer eigenen Körperlichkeit.
Ein monumentaler Auftakt: Baselitz und Jafa
Schon beim Eintreten empfängt uns eine Skulptur des deutschen Malers Georg Baselitz mit einem übergroßen Holzschnitt seiner Kindheit – ein Kind mit einem Totenschädel in den Händen. Der Körper erscheint hier als Träger von Trauma und Geschichte. Dieser erste Eindruck wird durch das zentrale Werk der Rotunde noch übertroffen: Arthur Jafas monumentale Videoinstallation Love is the Message, the Message is Death ist eine achtminütige emotionale Welle aus afroamerikanischen Alltagsbildern, Protesten, Sport und Musik – unterlegt mit Kanye Wests Ultralight Beam. Jafa gelingt eine visuelle Meditation über Rassismus, Würde, Gewalt und Hoffnung. Ein Werk, das kaum jemanden unberührt lässt.
Zwischen Realität und Repräsentation: Der Körper als soziales Dokument
In weiteren Ausstellungsräumen begegnen wir Körpern, die Geschichten erzählen – von Arbeit, Herkunft, Unsichtbarkeit und Stolz. Duane Hansons hyperrealistische Skulpturen zeigen etwa einen afroamerikanischen Arbeiter oder einen älteren Mann im Einkaufszentrum – so lebensecht, dass man instinktiv grüßen möchte.
Ergänzt wird diese Dimension durch die faszinierenden Fotografien von Deana Lawson, die private, fast intime Szenen inszeniert: Familienporträts, Paarbeziehungen, häusliche Räume. Lawson gibt dem Schwarzen Körper nicht nur Sichtbarkeit, sondern auch Würde und Komplexität – in einer Bildsprache, die dokumentarisch und zugleich ikonisch ist.
Der weibliche Körper: Stärke, Widerstand und Transformation
Einen Schwerpunkt setzt die Ausstellung auf die Arbeiten von Künstlerinnen, die sich mit Körper, Weiblichkeit und Selbstermächtigung auseinandersetzen. Niki de Saint Phalle ist mit einer farbenfrohen „Nana“-Skulptur vertreten – inspiriert von der Bürgerrechtlerin Rosa Parks. Die Figur wirkt verspielt, trotzig, kraftvoll – eine Feier weiblicher Präsenz im öffentlichen Raum.
Ganz anders, aber ebenso eindrucksvoll sind die Werke von Ana Mendieta, die sich selbst mit Erde, Asche und Feuer inszenierte. In ihren „Silueta“-Performances verschmilzt ihr Körper mit der Natur – eine poetische Annäherung an Fragen von Herkunft, Verlust und Zugehörigkeit. Kara Walkers Scherenschnitt-Arbeiten wiederum konfrontieren uns mit der brutalen Geschichte von Sklaverei, Kolonialismus und sexueller Gewalt – in einem Stil, der Schönheit und Grauen untrennbar verbindet.
Am Ende der Ausstellung kehren wir zu Georg Baselitz zurück. In einem abgedunkelten Saal hängen acht monumentale Gemälde von stürzenden, deformierten Körpern. Die Bilder sind roh, verstörend, fast apokalyptisch – eine Reflexion über Alter, Vergänglichkeit und das körperliche Ende. Ihnen gegenüber leuchtet ein letztes Werk von Ana Mendieta: Die Silhouette eines Frauenkörpers, die sich in einen Schmetterling verwandelt. Ein leiser, hoffnungsvoller Ausklang – als ob sich die Seele vom Körper löst und weiterzieht.
Eine Ausstellung, die unter die Haut geht
„Corps & Âmes“ ist keine leichte, aber eine zutiefst lohnenswerte Ausstellung. Sie zeigt den Körper als Archiv von Erinnerungen, als Ausdruck sozialer Realität, als Symbol für Kampf und Befreiung. Die Werkauswahl ist exzellent kuratiert, die Präsentation abwechslungsreich und emotional kraftvoll. Wer sich für zeitgenössische Kunst interessiert, sollte diese Ausstellung keinesfalls verpassen.
Für Kunstbegeisterte bietet sich bei einem Paris-Urlaub eine gute Gelegenheit zum Besuch der Bourse de Commerce – Pinault Collection. Die Eröffnung des Kunstmuseums erfolgte im Mai 2021 durch den französischen Multimilliardär und begeisterten Kunstsammler François Pinault in der ehemaligen Getreidebörse von Paris zwischen Louvreund Centre Pompidou.
Georges Adéagbo, Terry Adkins, Gideon Appah, Diane & Allan Arbus, Michael Armitage, Richard Avedon, Georg Baselitz, Cecilia Bengolea, Constantin Brancusi, Miriam Cahn, Claude Cahun, Ali Cherri, Peter Doig, Marlene Dumas, Robert Frank, Latoya Ruby Frazier, Philip Guston, Anna Halprin & Seth Hill, David Hammons, Duane Hanson, Kudzanai‑Violet Hwami, Anne Imhof, Arthur Jafa, William Kentridge, Deana Lawson, Sherrie Levine, Kerry James Marshall, Ana Mendieta, Zanele Muholi, Irving Penn, Man Ray, Robin Rhode, Auguste Rodin, Niki De Saint Phalle, Mira Schor, Lorna Simpson, Wolfgang Tillmans, Kara Walker, Lynette Yiadom-Boakye
Unsere Fotos der Ausstellung Corps & Âmes in der Bourse de Commerce
